So gefeiert wird nur in Schleiz

88. Int. Schleizer Dreieckrennen: 32.000 Zuschauer beim Saisonhöhepunkt der IDM

Es gab Zeiten, in denen durfte sich Schleiz glücklich schätzen einen IDM-Lauf austragen zu dürfen und manche Stimme forderte die Tilgung der ehrwürdigen thüringer Straßenrennstrecke vom Kalender der deutschen Motorradmeisterschaft. In den heutigen bewegten Zeiten, in denen auch der Motorradsport um Akzeptanz kämpfen muss, darf sich die Motorpresse Stuttgart als Ausrichter der IDM glücklich schätzen eine Rennenveranstaltung in Schleiz im Kalender zu haben, wo auch 100 Jahre nach der ersten „Brennstoffprüfung“ das Herz des nationalen Motorradrennsports schlägt. 32.000 Zuschauer säumten bei etwas kühleren und sehr windigen Wetterverhältnissen die Strecke zur 88. Ausgabe des Schleizer Dreieckrennens. Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow unterstrich mit seinem Besuch zum 100jährigen Jubiläum den Stellenwert der Sportstätte im Freistaat. Auf der traditionsreichen Geschichte der Rennstrecke wollen sich Politik und Motorsportverein nicht ausruhen und so plant man für die Zukunft die Region touristisch zu erschließen. So soll zum Beispiel das alte Fahrerlager zum campen einladen. Dafür entsteht ein neuer Flachbau, in dem am IDM-Wochenende erstmals das neue Pressezentrum untergebracht war.

Die beeindruckende Atmosphäre in Schleiz ließ sich auch der dreimalige IDM-Meister und mehrfache Schleiz-Sieger Markus Reiterberger nicht nehmen, der zusammen mit seinem Fanclub die Rennen als Zuschauer genoss. Auch ex-Supersport-Weltmeister und IDM-Superbike-Champion Jörg Teuchert aus dem nahegelegenen Franken war unter den zahlreichen bekannten Gästen.

IDM Superbike

Auf dem Schleizer Dreieck gehörte Ilya Mikhalchik schon in den vergangenen Jahren immer zu den Schnellsten und auch nach einem Jahr Abstinenz gab der Ukrainer im Qualifying gleich wieder den Ton vor. Fast sieben Zehntelsekunden distanzierte Mikhalchik den Zweitplatzierten Leandro Mercado auf der Weber-Kawasaki und den Meisterschaftsführenden Florian Alt auf der Holzhauer-Honda.

Den besten Start zum ersten Lauf erwischte allerdings Hannes Soomer, der aus der zweiten Reihe an die Spitze schoss. Mikhalchik war vom Blitzstart des Esten so überrascht, dass er im ersten Eck einen weiten Bogen nehmen musste und ins Mittelfeld abrutschte. Bei der Aufholjagd riskierte der VanZon-BMW-Pilot dann zu viel und verhinderte einen Highsider in der Schikane vor Start-und-Ziel nur mit viel Glück und Können. Nach einem Ritt durch das Kiesbett waren weitere wertvolle Sekunden und damit die Chance auf den Rennsieg verloren.

An der Rennspitze machte Hannes Soomer unterdessen einen hervorragenden Job. Auf der Honda von Enemat Enos Motorsport bestimmte er über 12 Runden das Tempo. Doch im dreizehnten Umlauf kostete Soomer ein Fahrfehler in den Buchhübelkurven die Führung. Markenkollege Florian Alt nutzte die Gelegenheit und ging vorbei. Der Konter des Esten ließ nicht lange auf sich warten, doch wieder musste er die Führungsposition nach einem kurzen Ausritt in die Wiese hergeben und rutschte diesmal sogar bis auf den vierten Platz ab. So ging der zweite Platz hinter dem Sieger Florian Alt an Toni Finsterbusch auf der GERT56-BMW, für den dieses Ergebnis nicht nur das erste Podium der Saison, sondern ein ganz besonderers emotionaler Erfolg war. Nur ein Jahr nach seinem schweren Sturz in der Seng, der für den Krostitzer die Saison 2022 beendete, meldet er sich nach langer Rehabilitation an gleicher Stelle auf der Erfolgsspur zurück.

Den verdienten dritten Platz erkämpfte sich Hannes Soomer schließlich noch von Leandro Mercado zurück. Nach dem Rennen gab der Este, für den das Schleizer Dreieck Neuland war, unumwunden zu: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich heute den Speed für das Podium habe. Es ist sehr schwierig hier schnell zu sein und ich habe keine Erfahrungswerte auf dem Superbike. Am Ende waren es meine Fahrfehler.“

Hinter dem Führungsquartett machte Ilya Mikhalchik das beste aus dem verkorksten Rennen und nahm nach einer furiosen Aufholjagd die Punkte für den fünften Platz mit.

Damit sicherte sich Mikhalchik einen Platz in der ersten Startreihe für das zweite Superbike-Rennen. Nur Mercado auf der einzigen Kawasaki im Feld musste der Ukrainer überholen, um mit seiner überlegenen Renn-Pace davon zu fahren. Und genau so setzte es der dreifache deutsche Superbike-Meister es auch um. Während die Honda-Asse Florian Alt und Hannes Soomer im Verkehr feststeckten und sich erst wieder nach vorn arbeiten mussten, war Mikhalchik bereits enteilt. Zur Überraschung vieler ließ auch Leandro Mercado nichts anbrennen und setzte sich auf dem zweiten Platz deutlich von seinen Verfolgern ab.

Ein hervorragendes Wochenende erlebte Jan-Ole Jähnig. In seiner ersten Saison auf dem Superbike fuhr der Altenburger lange Zeit unter den besten fünf. Schließlich musste er sich, ebenso wie sein GERT56-BMW-Teamkollege Toni Finsterbusch, noch dem von hinten heranstürmenden Florian Alt geschlagen geben. Mit den Plätzen sieben und fünf auf dem Schleizer Dreieck setzt sich für Jähnig der stetige Aufwärtstrend in seiner Rookie-Saison fort.

IDM Supersport

Die IDM-Supersport ist aktuell fest in holländischer Hand. Melvin van der Voort hatte mit einem souveränen Doppelsieg beim Saisonauftakt auf dem Sachsenring vorgelegt, doch sein Landsmann Twan Smits legte in Oschersleben mit zwei Siegen nach und kam als Meisterschaftsführender nach Schleiz.

Auf dem Dreieck war der Ball wieder bei van der Voort, der mit der Trainingsbestzeit vorlegte und die beiden Läufe mit zwei souveränen Start-Ziel-Siegen nach Hause fuhr.

Im ersten Lauf setzten sich zunächst die beiden Österreicher Andreas Kofler und Thomas Gradinger auf die Plätze zwei und drei hinter van der Voort. Twan Smits hatte am Start den zweiten Platz verloren, konnte mit der besseren Renn-Pace die Apreco-Yamaha aber wieder auf den zweiten Platz lenken. IDM-Supersport-Laufsieger Martin Vugrinec stieg in diesem Jahr erst mit Verspätung in die Saison ein. In Schleiz fand der Kroate sofort wieder zu alter Stärke zurück und tat es Smits gleich. Auch Vugrinec ging an den beiden Österreichern vorbei und verdrängte Kofler und Gradinger so von den Podestplätzen.

Der Start zum zweiten Lauf musste zunächst verschoben werden, denn bei einsetzendem Regen stürzte Martin Vugrinec bei einer Besichtigungsrunde auf Ölbindemittel in der Seng schwer. Nachdem der Nieselregen wieder nachgelassen hatte, erhielten alle Fahrer zwei weitere Besichtigungsrunden, bevor das um zwei Runden gekürzte Rennen gestartet werden konnte.

In der folgenden Startphase des zweiten Laufs berührten sich Twan Smits und Thomas Gradinger in der Buchhübelkurve. Während Andreas Kofler auf den zweiten Platz vorbeizog, verlor Gradinger wichtige Plätze und Smits musste sich sogar nach einem Ausritt durch das Kiesbett ganz hinten wieder einreihen.

Vorn waren die Plätze eins und zwei durch van der Voort und Kofler bezogen, doch dahinter legte Thomas Gradinger eine sensationelle Aufholjagd hin. In der Schlussphase schnappte er sich auch noch den Vizemeister des Vorjahrs, Luca de Vleeschauwer, im Kampf um den dritten Platz. Ähnlich wie bei Toni Finsterbusch, war es auch für Gradinger ein emotionaler Erfolg. Der Österreicher musste nach einem Sturz in der Seng im vergangenen Jahr um seine Rennfahrerkarriere bangen, kämpfte sich aber bis zum Saisonbeginn wieder zurück.

Der Pößnecker Christoph Beinlich nahm bei seinem Heimrennen zwei Mal Punkte für den sechsten Platz mit.

IDM Supersport 300

Schon am Samstagnachmittag durften die jungen Talente der Supersport-300-Klasse das erste Mal an den Start. Nach einem Sturz von Mitja Borgelt augangs der Kohlbachschikane musste das Rennen jedoch gleich wieder mit der roten Flagge abgebrochen werden. Der Fahrer aus dem Kiefer-Yamaha-Team hatte sich eine Beinverletzung zugezogen und musste zunächst am Streckenrand versorgt werden.

Nach dem Restart bestimmte das Freudenberg-Quartett aus Walid Khan, Dustin Schneider, Philipp Tonn und Lennox Lehmann das Tempo. Dazwischen hatte sich der Meisterschaftsführende Inigo Iglesias auf der FüSport-Kawasaki geschoben. In dem Sprint über sieben Runden wurden heiter die Positionen gewechselt und der Windschatten ausgenutzt. Im Schlussspurt konnte sich dann Philipp Tonn aus Werdau gegen Lennox Lehmann und Inigo Iglesias durchsetzen. Der 17jährige hatte erst kurz vor Saisonbeginn die Chance auf einem Vorjahresmotorrad im Freudenberg-Team erhalten. Bei seinem ersten Einsatz mit dem aktuellen Modell in Schleiz belohnte er seine Teamchefs Michael und Carsten Freudenberg gleich mit einem Sieg.

Mit dem Sieg im Rücken und frischem Selbstvertrauen ging es für Tonn in das Rennen am Sonntag. Hier agierte der Youngster dann etwas übermütig und schob Tabellenführer Iglesias in der Sengschikane ins Aus. Resultat: Disqualifikation für Philipp Tonn vom vierten Platz. Den Rennsieg holte sich Walid Khan, der damit auch die Führung in der Meisterschaft von Iglesias, nach dessen unverschuldeten „Nuller“, übernimmt. Lennox Lehmann wurde wiederum Zweiter vor Ruben Bijman auf der besten Yamaha R3.

IDM Sidecar

„Kontrovers“ ist wohl das Wort, welches das Wochenende der Seitenwagen in Schleiz am besten zusammenfasst. Nur sieben Gespanne waren für den IDM-Lauf im Seitenwagen-Mekka Schleiz erschienen. Da die Schleizer Straßenrennstrecke in seiner jetzigen Form keine Zulassung für die Austragung eines WM-Laufes mehr bekommt, konnte nur ein IDM-Lauf ausgetragen werden. Zu den im Vorfeld angekündigten Gaststarts der WM-Teams kam es nicht. Viele der in Groß-Britannien beheimateten Teams sparten sich die lange Anreise oder zogen andere Veranstaltungen vor, wie zum Beispiel Tim Reeves, der im Rahmen der IRRC in Chimay an den Start ging.

Der Sprint über 11 Runden am späten Samstagnachmittag ging an die Meister Josef Sattler/Luca Schmitt vor dem französischen Vater-Sohn-Gespann Ted und Vincent Peugeot und Lennard Göttlich/Lucas Krieg.

Dass man dem Publikum auch mit wenigen Startern ein hervorragendes Rennen zeigen kann, das bewiesen die Hauptprotagonisten des Vortags im Hauptrennen am Sonntagmittag. Zunächst erwischten Göttlich/Krieg den besten Start, während die Favoriten Sattler/Schmitt auf den dritten Platz abrutschten. Alles lief auf einen sehenswerten Dreikampf hinaus. Zur Rennhalbzeit gingen Sattler/Schmitt schließlich in Führung, aber Göttlich/Krieg ließen nicht locker und konterten mit einem unerwarteten Manöver am Ende der Start-und-Zielgerade.

In der dreizehnten Runde passierte es dann eingangs der ultraschnellen Seng. Zuerst drehen sich die Führenden Göttlich/Krieg. Die nachfolgenden Sattler/Schmitt weichen aus und überschlagen sich in der Wiese. Mit viel Glück können Peugeot/Peugeot den Beifahrern und Trümmerteilen ausweichen. Die sichtbar schockierten Franzosen verlangsamen die Fahrt und heben die Hände, noch bevor das Rennen offiziell abgebrochen wird. Was war passiert? Eine Runde zuvor war Markus Schwegler an der Gaststätte in der Seng eingeschwenkt. Nicht etwa zum Mittagstisch, sondern aufgrund technischer Probleme an seinem Gespann. Die Streckenposten meldeten zuerst einen Wasserverlust, weshalb an der Stelle auch die gelb-rot gestreiften Flaggen gezeigt wurden. Schlussendlich stellte sich der Wasserverlust dann doch als Ölspur heraus. Zu spät für die beiden führenden bonovo action Seitenwagen-Teams.

Die Wertung erfolgte am Ende nach 11 von 19 geplanten Runden und Ted Peugeot, der zusammen mit seinem Vater Vincent im Boot fährt, wurde zum Sieger erklärt. Zimmermann/Mahl und Kimeswenger/Sedlácek erbten die Podestplätze. Die Wertung erfolgte auf der Grundlage, dass die Teams Göttlich/Krieg und Sattler/Schmitt nicht innerhalb der Frist nach Rennabbruch in die Box kamen. Dieser Umstand wird nun kontrovers diskutiert, waren die verunfallten Teams doch eher Opfer der Umstände als selbst Verursacher der roten Flagge. Das Wichtigste bleibt allerdings, dass es allen Beteiligten den Umständen entsprechend gut geht. Lucas Krieg hat sich einen offenen Bruch an der Hand zugezogen, während Lennard Göttlich mit dem Schrecken davonkam. Josef Sattler erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, Luca Schmitt starke Prellungen.

Rahmenrennserien

Im Pro Superstock Cup teilten sich Philipp Gengelbach und Kevin Orgis die Siege.

Die Rennen zum Yamaha-R7-Cup dominiert in diesem Jahr Valentin Folger. Auch in Schleiz war der Cousin von MotoGP-Testfahrer Jonas Folger unschlagbar und dabei ca. eine Sekunde pro Runde schneller als seine Konkurrenz.

Ähnlich dominant tritt Justin Hänse im Twin Cup auf. Bei seinem Heimrennen auf dem Schleizer Dreieck hatte der Lokalmatador aus Niederpöllnitz seine Konkurrenten Felix Kauertz und Jan Gerwin in beiden Rennen im Griff. Die nächste Station des Twin Cups ist im September das Frohburger Dreieck, bevor es zum Saisonfinale nach Hockenheim geht.

Zu guter letzt bleibt zu erwähnen, dass die IDM den Vertrag mit dem Schleizer Dreieck verlängert hat und auch 2024 wieder in Thüringen zu Gast sein wird. Dann wird ein weiteres 100järhiges Jubiläum zu feiern sein, nämlich das der Deutschen Motorradmeisterschaft. 1924 wurden die ersten Straßenmeister in verschiedenen Hubraumklassen im Motorradrennsport in einem einzigen Rennen gekürt. Der Austragungsort war, wie sollte es anders sein, das Schleizer Dreieck.

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